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Strafrecht: Opfervertretung, Opferrechte und Anschluss als Privatbeteiligter

Strafverteidiger Wels

Als Strafverteidiger verteidigt man nicht nur den (vermeintlichen) Täter. Auch ist ein Einschreiten als Opfer- oder – wenn jemand aufgrund einer Straftat einen Schaden oder eine Beeinträchtigung erlitten hat – Privatbeteiligtenvertreter möglich.

Ein Opfer gem § 65 Z 1 StPO ist

  • jede Person, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnte,
  • der Ehegatte, der eingetragene Partner, der Lebensgefährte, die Verwandten in gerader Linie, der Bruder oder die Schwester einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen der Tat waren,
  • jede andere Person, die durch eine Straftat einen Schaden erlitten haben oder sonst in ihren strafrechtlich geschützten Rechtsgütern beeinträchtigt worden sein könnte.

Auch als Opfer einer Straftat genießt man im Strafverfahren eine Vielzahl von Rechten:

So ist jedes Opfer berechtigt sich vertreten zu lassen (§ 73 StPO), sich am Strafverfahren zu beteiligen (§ 10 Abs. 1 StPO), besitzt ein Fragerecht, ist bereits im Ermittlungsverfahren über seine wesentlichen Rechte zu informieren (§ 10 Abs. 2 und § 70 StPO), muss eine Anzeigebestätigung erhalten (§ 80 Abs. 1 StPO), hat ein Recht auf Akteneinsicht (§ 68 StPO), auf Übersetzungshilfe (§ 56 StPO),  der Teilnahme an einer kontradiktorischen Vernehmung (§ 165 StPO) bzw. einer Tatrekonstruktion (§ 150 Abs. 1 StPO) und ist ebenfalls berechtigt, die Gesetzmäßigkeit der Einstellung eines Strafverfahrens durch das Landesgericht überprüfen zu lassen und die Fortführung des eingestellten Verfahrens zu verlangen (§ 198 StPO). Ein Opfer ist ebenfalls vom Fortgang des Verfahrens zu verständigen (§ 177 Abs. 5, § 194, 197 Abs. 3, § 206 und § 208 Abs. 3 StPO) und ist auf Verlangen unter Umständen eine psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu gewähren (§ 66 Abs. 3 StPO).

Als eine Unterkategorie der Opfer gelten besonders schutzbedürftige Opfer (§ 66a StPO). Dies sind jedenfalls Personen, die

  • in ihrer sexuellen Integrität und Selbstbestimmung verletzt worden sein könnten,
  • zu deren Schutz ein Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt nach § 38a Abs. 1 SPG erteilt werden könnte,
  • die minderjährig (§ 74 Abs. 1 Z 3 StGB) sind.

Besonders schutzbedürftige Opfer haben zusätzliche Rechte, wie etwa das Recht

  • zu verlangen, im Ermittlungsverfahren nach Möglichkeit von einer Person des gleichen Geschlechts vernommen zu werden,
  • zu verlangen, dass Dolmetscherleistungen (§ 66 Abs. 3 StPO) bei Vernehmungen des Opfers im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung nach Möglichkeit von einer Person des gleichen Geschlechts erbracht werden,
  • die Beantwortung von Fragen nach Einzelheiten der Straftat, deren Schilderung sie für unzumutbar halten, oder nach Umständen aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich zu verweigern (§ 158 Abs. 1 Z 2 und 3, Abs. 2 StPO),
  • zu verlangen, im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung auf schonende Weise vernommen zu werden (§ 165, § 250 Abs. 3 StPO), und zwar ein minderjähriges Opfer, das durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in seiner Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnte, jedenfalls auf die in § 165 Abs. 3  StPO beschriebene Art und Weise, gegebenenfalls durch einen Sachverständigen,
  • zu verlangen, die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auszuschließen (§ 229 Abs. 1 StPO),
  • unverzüglich von Amts wegen im Sinne der § 172 Abs. 4, § 177 Abs. 5 und § 181a StPO informiert zu werden, und
  • einer Vernehmung eine Person ihres Vertrauens beizuziehen (§ 160 Abs. 2 StPO).

Ein Privatbeteiligter ist hingegen jedes Opfer (egal, ob „normales“ Opfer oder besonders geschütztes Opfer), das erklärt, sich am Verfahren zu beteiligen, um Ersatz für den erlittenen Schaden oder die erlittene Beeinträchtigung zu begehren (§ 65 Z 1 lit c StPO).

Opfer haben nämlich das Recht, den Ersatz des durch die Straftat erlittenen Schadens oder eine Entschädigung für die Beeinträchtigung ihrer strafrechtlich geschützten Rechtsgüter zu begehren.

Privatbeteiligte haben über die Rechte der Opfer (§ 66 StPO) hinaus das Recht,

  • die Aufnahme von Beweisen nach § 55 StPO zu beantragen,
  • die Anklage nach § 72 StPO aufrechtzuerhalten, wenn die Staatsanwaltschaft von ihr zurücktritt,
  • Beschwerde gegen die gerichtliche Einstellung des Verfahrens nach § 87 StPO zu erheben,
  • zur Hauptverhandlung geladen zu werden und Gelegenheit zu erhalten, nach dem Schlussantrag der Staatsanwaltschaft ihre Ansprüche auszuführen und zu begründen, und
  • Berufung wegen ihrer privatrechtlichen Ansprüche nach § 366 StPO zu erheben.

Opfer | besonders geschütztes Opfer | Privatbeteiligter

Drei Begriffe, meist derselbe Zweck:

Aus Opfersicht stellt der Strafprozess oft einen ersten Schritt zur Geltendmachung der – oft inhaltlich komplexen und umfangreichen – (schadenersatzrechtlichen) Ansprüche im nachgelagerten Zivilprozess dar. Ein strafrechtlich Verurteilter muss nämlich das Urteil gegen sich gelten lassen und kann sich in einem nachfolgenden (zivilen) Rechtstreit nicht darauf berufen, dass er die Tat, derentwegen er strafrechtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe. Diese Bindung erstreckt sich auf alle den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen, unabhängig davon, ob diese im Spruch oder in den Gründen des Strafurteils enthalten waren (verst Senat 1 Ob 612/95, SZ 68/195).

Oft kann im Rahmen der Privatbeteiligung schon ein gewichtiger Grundstein für einen später folgenden Zivilprozess gelegt werden. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes in diesen Fällen ist daher auch für Opfer einer Straftat jedenfalls eindringlich zu empfehlen.

Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt für Strafrecht

Nützliche Links:

https://www.oesterreich.gv.at/themen/dokumente_und_recht/unterstuetzungen_fuer_verbrechensopfer/3/Seite.2910410.html

https://www.strafrecht24.at/ratgeber/allgemeines/privatbeteiligtenanschluss/

https://regiowiki.at/wiki/Privatbeteiligter

Mag. Robert Rieger

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