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Familienrecht: Einvernehmliche Scheidung ja, aber nicht um jeden Preis.

Ehescheidung

Im Zuge der Erstgespräche, in denen ich meine scheidungswilligen Mandanten umfangreich über die verschiedenen Möglichkeiten und Varianten der Trennung des Ehebandes aufkläre und die zwingend zu regelnden Punkte einer einvernehmlichen Scheidung erläutere, ist es vielen Klienten oft ein Anliegen unbedingt eine einvernehmliche Scheidung zur Vermeidung eines „Rosenkrieges“ durchzuführen.

Prinzipiell ist – vor allem wenn minderjährige Kinder involviert sind – selbstredend eine einvernehmliche Ehescheidung zu bevorzugen. Insbesondere im Zusammenhang mit der Obsorge und dem Besuchsrecht sind die einstigen Ehegatten schließlich, zumindest bis zur Volljährigkeit des Nachwuchses, noch jahrzehntelang miteinander verbunden und wäre daher eine Trennung „im Guten“ für den jeweiligen weiteren Lebensweg förderlich.

Bei unrealistischen oder untragbaren Forderungen des anderen Ehepartners ist eine einvernehmliche Scheidung jedoch keine Option bzw. wäre diese für den eigenen Mandanten mit gravierenden Nachteilen verbunden. In diesen Fällen empfehle ich daher, die Scheidung im streitigen Verfahren zu vollziehen:

Gemäß § 49 EheG kann ein Ehegatte die Scheidung begehren, wenn der andere durch eine schwere Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet hat, dass die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann.  

Die Eheverfehlung muss objektiv schwer sein und subjektiv als ehezerstörend empfunden werden. Nach der Rechtsprechung ist eine Eheverfehlung dann schwer, wenn „sie im Allgemeinen und objektiv in den Lebens- und Berufskreisen der Gatten bei einem selbst mit rechter ehelicher Gesinnung erfüllten und daher zur Nachsicht bereiten Ehegatten eine völlige Entfremdung herbeiführen würde“.

Keine Eheverfehlung sind beispielsweise Streitigkeiten, Reibereien, Kränkungen und Pflichtversäumnisse geringen Grades, wie sie in vielen Ehen vorkommen können.

Unheilbare Ehezerrüttung im Sinn des § 49 EheG ist dann anzunehmen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben.

Eine Eheverfehlung bildet nur dann einen Scheidungsgrund, wenn sie kausal für die unheilbare Zerrüttung der Ehe gewesen ist.  Keine schuldhafte Eheverfehlung liegt vor, soweit das ehewidrige Verhalten eine entschuldbare Reaktionshandlung auf das Verhalten des anderen Ehegatten ist.

Während der letzten Wochen durfte ich eine Mandantschaft – zumal die Gegenseite bis zum Schluss fragwürdige Vorstellungen im Kontext mit der Scheidungsfolgenvereinbarung hatte – in einem streitigen Verfahren unterstützend begleiten und konnte die Ehe (erstinstanzlich) aus dem Alleinverschulden der Gegenpartei geschieden werden.

Abgesehen von den für meine Mandantschaft angenehmen unterhaltsrechtlichen Folgen und den Umstand, dass sämtliche Prozesskosten von der Gegenseite getragen werden müssen, bestätigt diese Causa erneut, dass die einvernehmliche Scheidung bei manchen Fallkonstellationen eben gerade nicht alternativlos ist.

Einvernehmliche Trennung ja, aber nicht um jeden Preis.

Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt für Scheidungsrecht

Nützliche Links:

https://www.oesterreich.gv.at/themen/familie_und_partnerschaft/scheidung.html

https://www.familienrechtsinfo.at/scheidung-gesetzeslage-oesterreich/

Mag. Robert Rieger

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