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Familienrecht: Die Ehe als Vertrag

Braucht man einen Ehevertrag?

Vor kurzem durfte ich der Hochzeit einer guten Freundin beiwohnen, bei der der anwesende Pfarrer auf die theologische Komponente der kirchlichen Trauung hingewiesen hat. Abseits der konfessionellen Eheschließung und den romantischen Absichten des Paares, wird den (standesamtlich getrauten) Ehegatten oft erst im Falle der Ehescheidung bewusst, was das Rechtsinstitut der Ehe im Endeffekt bedeutet: ein zivilrechtlicher Vertrag mit gegenseitigen Rechten und Pflichten.

Der Ehevertrag wird in Österreich vor dem Standesbeamten des Trauungsortes geschlossen, was eine unabdingbare Formvorschrift darstellt widrigenfalls die Ehe absolut nichtig ist (§ 15 EheG). Die Eheleute müssen ihre Willenserklärungen persönlich abgeben, während die Anwesenheit von Trauzeugen – entgegen der landläufigen Meinung – nicht zwingend erforderlich ist (§ 18 Abs 3 PStG).

Nach dem Austausch der beiden Willenserklärungen hat der Standesbeamte auszusprechen, dass die beiden betroffenen Personen Eheleute sind (§ 18 Abs 2 PStG) und es ist eine Niederschrift aufzunehmen, welche von den Anwesenden zu unterschreiben ist (§ 18 Abs 4 PStG). In der Folge ist gem § 20 PStG die Eheschließung in das zentrale Personenstandsregister einzutragen.

Rechte und Pflichten

Die Ehe ist eine umfassende Lebensgemeinschaft der Gatten. (§ 90 EheG)

Die wesentlichen Punkte dieser umfassenden Lebensgemeinschaft sind die Treuepflicht, die Pflicht zum Beistand, die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen sowie die Pflicht zur anständigen Begegnung.

  • Treuepflicht: Obgleich beide Ehegatten das Zusammenleben im Sinne der Familienautonomie – zumindest im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten – selbst gestalten können, stellt die Treuepflicht einen unabdingbaren Mindestinhalt der Ehe dar. Diese bezieht sich nicht nur auf Seitensprünge und den sexuellen Bereich, sondern auf sämtliche Konstellationen, welche das Vertrauensverhältnis zwischen den Ehegatten empfindlich stören können.
  • Beistandspflicht: Unter der Beistandspflicht versteht man die gegenseitige Unterstützung – sowohl immateriell als auch materieller Natur – in allen Lebenslagen, wie zum Beispiel die Pflege im Krankheitsfall. Weitere Unterpunkte der Beistandspflicht sind die Mitwirkung am Erwerb des anderen Ehegatten, die Verpflichtung zur gemeinsamen Haushaltsführung sowie der Ehegattenunterhalt.
  • Pflicht zum gemeinsamen Wohnen: Ein weiteres Wesensmerkmal der Ehe ist die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen, wobei im Ausnahmefall – beispielsweise die Berufstätigkeit eines Ehegatten an einem anderen Ort oder die Pflege von Verwandten – eine vorübergehende Trennung möglich ist.
  • Pflicht zur anständigen Begegnung: Eheleute sind ebenfalls zum liebevollen und respektvollen Umgang, zu gegenseitigem Respekt und zur gemeinsamen Freizeitgestaltung verpflichtet. Klingt selbstverständlich? Gerade mit diesem Punkt befasst man sich im Ehescheidungsverfahren als Anwalt am meisten.

Entgegen den sonstigen zivilrechtlichen Vertragsverhältnissen lassen sich die ehelichen Pflichten jedoch nicht gerichtlich erzwingen. Es ist daher nicht möglich, den anderen Ehegatten auf „Unterlassung des Seitensprungs“ oder auf „Mitwirkung im Haushalt“ zu klagen.

Vertragsverletzungen, also Eheverfehlungen, stellen jedoch Scheidungsgründe dar: Nach § 49 EheG kann jeder Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn der andere durch das Setzen einer schweren Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so zerrüttet hat (Verschuldensprinzip), dass die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann (Zerrüttungsprinzip). Von einer schweren Eheverfehlung spricht man, wenn das Verhalten mit dem Wesen der Ehe als einer in allen Lebensbereichen umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar ist.

Verletzt ein Vertragspartner sohin die Pflichten aus dem Ehevertrag, beispielsweise durch einen Ehebruch, der unberechtigten Aufhebung der Hausgemeinschaft oder dem grundlosen unleidlichen Betragen gegenüber dem anderen Ehegatten oder dessen nächsten Angehörigen, können diese Vertragsverletzungen einen Klagsgrund in der Ehescheidungsklage darstellen.

Wie gut ein Vertrag ist, lässt sich erst feststellen, wenn man sich streitet.  Dieser Grundsatz gilt sinngemäß auch für den Ehevertrag.

Mag. Robert Rieger, Rechtsanwalt für Familienrecht

Nützliche Links:

https://www.oesterreich.gv.at/themen/familie_und_partnerschaft/heirat/2/Seite.070320.html

https://www.familienrechtsinfo.at/eherecht-in-oesterreich/#:~:text=Ehegesetz%20%E2%80%93%20Rechte%20und%20Pflichten,Verpflichtung%20zum%20gemeinsamen%20Wohnen.&text=Verpflichtung%20zur%20%E2%80%9Eanst%C3%A4ndigen%20Begegnung%E2%80%9C.

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